Programmatisch ist wohl der Titel des schlicht, doch gediegen gestalteten Bändchens zu verstehen, in welchem die langjährige Sterbebegleiterin Bettina Mantz versucht, uns Lebenshilfe angedeihen zu lassen, indem sie Selbsterlebtes mit uns teilt. Über zwölf Jahre hinweg schrieb die 1971 geborene Leopoldsdorferin ihre Erkenntnisse und Gedanken bei der Begleitung von Menschen in seelischen Notlagen in Notizbücher und ergänzte sie durch passende Gedichte. So finden sich jetzt auf 335 Seiten epigrammatische Gedankensplitter neben berührenden Gedichten, die versuchen, uns angesichts der letzten Dinge Mut zu machen und für geglücktes Menschsein Wesentliches in unser Bewusstsein zu bringen. Dabei ist es vor allem Herzensbildung, die zählt: Alles ist sowohl – als auch (S. 242), kein Phönix ohne Asche (S.248), Man lernt nur aus den Niederlagen (S.286).

Den Sukkus der Sterbebegleitung formuliert die Autorin auf Seite 195 folgendermaßen: „Kranke und Sterbende leiten mich an zu leben und zu lieben und was das eigentlich bedeutet.“ Eine der wichtigsten Fähigkeiten ist es in ihren Augen, trösten zu können (S.239), und sie sagt: „Solange das Herz voll Hoffnung ist, lebt es.“ (S.293)

Was uns die Endlichkeit ertragen lehrt, ist letztendlich die Verortung im Hier und Jetzt, wie in den beiden Gedichten „Nehmen“ (S.325) und „Jetzt leben“ (S.331) zum Ausdruck kommt:

Nehmen

In ausgestreckte Hände
lasse landen
alle Blüten.
Und wenn der Tag
mehr Blüten schenkt
als du tragen kannst,
dann breite deine Schürze aus
dein Kleid
und deinen Mantel.
Nimm alles,
was dir Jetzt schenkt.
Alles!

Jetzt leben

Es drängt
dringend
nach Leben,
nach Noch-Leben,
Erleben
Beleben.
Wind ins Haar,
atme ein,
atme aus.
Ins Leben
greifen,
lieben,
freuen.
Lider schließen,
Nase weiten,
Tränen weinen.
Winkel heben,
Schönes schauen.
Nicht dann,
sondern jetzt!

leben | lieben | sterben ist ein mehr als lesenswertes, ja erstaunliches Buch, das uns das Konzept der Mitmenschlichkeit neu überdenken lässt und zeigen will, wie Leben und Lieben gelingen können.

Buchbesprechung von Franziska Bauer