Interview mit Barbara Deißenberger & Mischa Skorecz

Eine Geschichte in Weiß bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Kunst und Natur – für die Protagonistinnen Minna und Valerie spielt besonders botanische Malerei eine wichtige Rolle, inspiriert von Mischa Skoreczs Werken. Wie habt ihr beiden zueinandergefunden? Gab es schon frühere Kollaborationen, bevor es zu eurer Zusammenarbeit für dieses Projekt gekommen ist?

Mischa Skorecz: Wir sind Nachbarinnen und befreundet. Barbara hat mich gefragt, ob sie etwas aus meinem Leben, vor allem Kunst und Berufliches betreffend, für einen Roman verwenden kann. Ich sagte zu und fühlte mich erfreut und geehrt.

Barbara Deißenberger: Ich lernte Mischa kennen, als wir vor fünfzehn Jahren an den Wiener Stadtrand zogen. Damals malte sie großformatige abstrakte Bilder. Ich war fasziniert. Manchmal sprachen wir über Unterschiede und Ähnlichkeiten beim Schaffensprozess von Literatur und Malerei. Mischa tritt viel mehr aus der Welt hinaus beim Malen, während ich durch meine Gedanken und die Sprache mit dem Außen verbunden bleibe. Als sie botanisch zu malen begann, zog mich das endgültig in seinen Bann. Ich war so inspiriert von ihren Bildern, dass ich Gedichte dazu verfasste und sie Mischa zum Geburtstag schenkte. Von da war’s nur noch ein Schritt, die botanische Malerei auch zum Thema eines Romans zu machen.

Barbara, die Passagen im Roman, in denen Minna bei der Arbeit ist, waren für mich sehr eindrücklich – wie detailliert du dabei das Malen schilderst und Informationen zu den Pflanzen einbindest. War es eine besondere Herausforderung, Worte für Minnas – und Mischas – Kunst und den Malprozess zu finden? Wie bist du vorgegangen?

Barbara: Einerseits gab es meine Notizen zu allem, was mir Mischa erzählt hat, andererseits durfte ich ihr beim Malen zuschauen und nahm die ganze Atmosphäre rundherum in mich auf. Mischa gab mir auch Einzelstunden in botanischer Malerei. Das war sozusagen der »Selbstversuch«. Informationen zu den Pflanzen holte ich mir aus dem Internet. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse ins Poetische zu übertragen, ist etwas, das mich schon Jahrzehnte fasziniert, seit ich Hans Magnus Enzensbergers Gedicht gespräch der substanzen gelesen habe.

Mischa, wie war diese Zusammenarbeit aus deiner Perspektive? Ist die Verflechtung mit Literatur eine Art der kreativen Arbeit, die du öfter nutzt? Wie ist es für dich, deine Malereien in Worte »übersetzt« zu lesen?

Mischa: Ich mag es, eigentlich genauso wie in Kursen, meine Malerei zu erklären, anderen Einblicke zu gewähren und sie vielleicht sogar zu begeistern. Barbara versteht es, meine Kunst in Worte zu übersetzen. Ich bin von dem Vorgang fasziniert. Was Literatur im Zusammenhang mit Malen betrifft, so hatte ich einmal eine Phase, in der ich mich besonders für Paul Celan interessierte. Da habe ich dann »Schriftbilder« gezeichnet, also kalligrafisch mit dem Pinsel seine Gedichte in unterschiedlichen Farben wiedergegeben. Und einmal habe ich einen Gedichtband von Bernhard Bünker illustriert.

Im Roman kommen Minna ihr genaues Auge und ihre Beobachtungsgabe zugute, wenn sie Pflanzen zu Papier bringt, aber auch in ihrer Arbeit als Psychotherapeutin. Sind das Überschneidungen, die ihr selbst in eurer Arbeit – und in dieser Zusammenarbeit – festgestellt habt? Gibt es Parallelen zwischen dem Zeichnen von Pflanzen in der botanischen Malerei und dem Zeichnen von Figuren beim Schreiben?

Mischa: Mein Hauptzugang zur Malerei ist die Flucht aus der Realität. Ich versinke und mache mir meine eigene Welt. Außerdem bin ich extrem neugierig, möchte alles wissen, etwa über Pflanzen, und sie persönlich kennenlernen. Das ist tatsächlich fast so, wie ich einen Menschen in der Therapie kennenlerne.

Barbara: Durch unsere Zusammenarbeit fand eine Art Umkehr statt: Mischa, die so gut zuhören kann, sollte auf einmal erzählen. Und ich, die vor allem vertrauten Menschen viel erzählt, musste nun gut zuhören. Genau dort wollte und will ich aber hin mit einem Romanprojekt. Die Bereitschaft, sich auf jemanden oder etwas einzulassen, ist also eine Überschneidung zur bildenden Kunst. Die Beobachtungsgabe für botanische Malerei ist trotzdem eine andere als für die literarische Figurenzeichnung. In der Literatur vermische ich bewusst Wahrnehmung, Wissen und Fantasie und setze Akzente, wo immer ich möchte.

Die beiden Protagonistinnen in der Geschichte in Weiß wachsen unter sehr unterschiedlichen Bedingungen auf. Minna erlebt eine wilde Jugend in den 60ern, rebelliert gegen ihr strenges kommunistisches Elternhaus und wird schon jung Mutter. Valerie wird 1975 geboren, wächst zwischen Pflegefamilien und in einem strikten Ordensinternat auf. Aber beide Frauen haben auch gemeinsame Interessen und Anliegen – vor allem in ihrem Umweltaktivismus und in ihrem engen Bezug zur Lobau. Die Pläne für den Lobau-Tunnel sind gerade (wieder einmal) sehr aktuell und präsent in den Medien. Was sind eure eigenen Bezüge zu dieser Debatte bzw. zur Lobau? Ist das ein Bereich, in dem ihr selbst engagiert seid?

Mischa: Ich war in meiner Jugend in Hainburg protestieren und habe mir auch Pflanzen aus der Lobau für den Garten geholt. Für mich ist es einfach »meine Lobau«, die ich seit fast siebzig Jahren kenne und liebe. Ansonsten wünsche ich mir noch, dass meine botanische Malerei etwas von der Faszination und Schönheit, die allen pflanzlichen Lebewesen zu eigen ist, sichtbar machen kann.

Barbara: Die Lobau ist ein Paradies in Österreichs größter Stadt. In Zeiten des Klimawandels ein solches Autobahn-Projekt, das vor etwa zwei Jahrzehnten geplant wurde, durchdrücken zu wollen, halte ich für politisch-populistisches Festhalten an einem überholten Mobilitätskonzept. Phasenweise packt es mich – dann engagiere ich mich aktionistisch dagegen: verteile Flyer, gehe auf Demos und bringe Sachspenden auf ein Protestcamp. Meist aber schlägt sich mein Engagement in schriftlicher Form nieder: von Facebook-Kommentaren über Artikel im Esslinger Stadtteilmagazin bis hin zu einem umgedichteten Fendrich-Lied, das dann wirklich auf Radio Orange gespielt wurde. Oder, wie in der Geschichte in Weiß zu lesen, baue ich das Thema auch in meine Literatur ein. Womit wir wieder bei Minna und Valerie sind. Die beiden kommen aus verschiedenen Generationen und sind auch charakterlich sehr unterschiedlich. Ob sie im Buch persönlich zueinanderfinden, ist ein Spannungsbogen der Geschichte. Mit den gesellschaftlichen Rollen, die ihnen ihr Umfeld aufzwingen will, gibt sich keine zufrieden. Damit spiegelt ihre Entwicklung auch die jeweiligen Verhältnisse, in denen Frauen familiär – als Töchter und Mütter – sowie beruflich ihren eigenen, oft hindernisreichen Weg finden müssen. Der auffälligste gemeinsame Nenner von Minna und Valerie ist und bleibt aber ihre Liebe zur Natur, die bei jeder anders ausgeprägt ist. Minna erwirbt von Kindesbeinen an ein umfassendes Verständnis für Natur, setzt später das nachhaltige Ideal der Permakultur in ihrem Garten um und wird schließlich botanische Malerin. Valerie kommt von der intellektuellen Seite, versucht den Geheimnissen der Natur geologisch auf die Spur zu kommen und engagiert sich letztendlich gegen den Lobau-Tunnel.

Auch Musik spielt im Roman eine wichtige Rolle für Minna und Valerie. Minna hört in den 60ern heimlich die Stones, Beatles, Beach Boys und Ö3, was zuhause nicht gern gesehen wird. Wichtige Momente für Valerie passieren unter anderem zur Musik von Prince, Leonard Cohen und Édith Piaf. Was bedeutet Musik für euch in eurem Alltag und in eurem kreativen Schaffen? Habt ihr bestimmte Musikstücke und Alben, die euch besonders nahe sind?

Mischa: Musik ist mir sehr wichtig. Ich höre fast den ganzen Tag Ö1 und bin in den letzten Jahren zur Klassik gewechselt. Mich unterstützt Musik beim Eintauchen in meine Welt.

Barbara: Musik ist eine Kunst, ohne die ich mir nicht vorstellen mag, zu leben. Zurecht haben ihr Philosophen eine Sonderstellung eingeräumt. Sie wirkt so unmittelbar auf Gemüt, Psyche, Seele – wie immer man’s nennen mag – wie keine andere Kunstform. Für den Roman habe ich Pop-Musik aus den 60ern heraufbeschworen, um mich in eine junge Frau und die Stimmung dieser Zeit hineinzuversetzen. Dabei habe ich aber nicht direkt während des Schreibens Musik gehört. Entweder das eine oder das andere. Es kam schon vor, dass ich mir in klassischen Konzerten im Kopf Notizen zur Musik machte. Aber das ging immer auf Kosten des gegenwärtigen Genusses. Im Alltag höre ich mir unterschiedlichste Musikrichtungen an, je nach Stimmung.

Was wünscht ihr euch, dass Leserinnen und Leser von diesem Roman mitnehmen?

Mischa: Ich wünsche mir, dass die Leser darin versinken können und sich auf dieses Buch einlassen.

Barbara: Das Gefühl, eine unterhaltsame, abwechslungsreiche Reise gemacht zu haben: quer durch die wilden 60er-Jahre, mit vorbeifliegenden Rebellionen, dazwischen künstlerischem Innehalten, Einblicken in den Alltag junger Mütter aus zwei Generationen und Aussichten auf eine faszinierende Natur in Kunst und Wirklichkeit.

Gibt es schon Pläne für weitere kreative Projekte?

Mischa: Wir haben noch keine Pläne für gemeinsame Projekte. Mir schwebt wieder einmal Abstraktion vor, diesmal von Pflanzen.

Barbara: Mein nächster Roman, an dem ich schon zu schreiben begonnen habe, soll ein Ökothriller werden. Ich werde mich aber nicht ganz an die typischen Eigenschaften des Genres halten.

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Buchbesprechung von Franziska Bauer